Nachdem die erste Welle der Corona-Infizierten mit dem wohl einschneidendsten Ereignis des Lockdown überwunden ist, könnte eine zweite Welle drohen, insbesondere durch die vielen Urlaubsrückkehrer aus den Sommerferien.
Die Zahl der Länder, die vom Robert-Koch-Institut (RKI) (erneut) als Risikogebiete eingestuft werden, nimmt in den vergangenen Tagen vermehrt zu. Auch wenn bestimmte Städte oder Regionen zum Risikogebiet ernannt wurden, besteht gleichwohl kein Einreiseverbot, sodass viele Mitarbeiter auch in Risikogebieten ihren Sommerurlaub verbringen.
Für Urlaubsrückkehrer aus internationalen Corona-Risikogebieten besteht seit 08.08.2020 eine Testpflicht auf das Corona-Virus bei der Einreise nach Deutschland. Alternativ kann ein höchstens 48 Stunden alter eigener Corona-Test vorgelegt oder der Test spätestens innerhalb von 72 Stunden nach der Einreise nachgeholt werden. Hintergrund ist, dass sich Urlaubsrückkehrer aus Risikogebieten ohne vorliegendes Testergebnis direkt nach Hause oder ihrem Zielort für bis zu 2 Wochen bzw. bis ein negatives Testergebnis vorliegt in häusliche Quarantäne begeben müssen. Bis zur Mitteilung des Testergebnisses darf der Arbeitnehmer somit auch nicht seiner Arbeit im Betrieb nachgehen. Bei Rückkehr aus einem Nicht-Risikogebiet besteht lediglich die Möglichkeit, sich freiwillig testen zu lassen, aber keine Verpflichtung zum Test.
Wie sollten und können Arbeitgeber reagieren? Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es?
1) Informationsrecht des Arbeitgebers
a) zum Urlaubsgebiet
Grundsätzlich besteht kein Informationsanspruch des Arbeitgebers, wo der Arbeitnehmer seinen Urlaub verbringt. Arbeitnehmer müssten insofern auf etwaige Fragen des Arbeitgebers in üblichen Situationen nicht reagieren. Gleichwohl ist vorliegend durch die Corona Pandemie eine besondere Situation entstanden, da der Arbeitgeber auch Schutzmaßnahmen im Betrieb ergreifen muss, um den Interessen der übrigen Arbeitnehmer gerecht zu werden. Er muss Schutzvorkehrungen treffen können, um eine Infektion der Mitarbeiter oder aber auch die Infektion von Kunden mit dem Corona-Virus zu vermeiden. Insofern trifft den Arbeitgeber eine besondere Fürsorgepflicht, die dem Interesse des Arbeitnehmers auf das Nichtpreisgeben seines Urlaubsziels entgegensteht. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen viele Arbeitnehmer evtl. sogar aus Risikogebieten vom Urlaub in den Betrieb zurückkehren, besteht für den Betrieb ein erhöhtes Risiko, dass andere Mitarbeiter mit dem Corona-Virus infiziert werden können. Demnach besteht für den Arbeitgeber ein Informationsanspruch dahingehend, ob seine Arbeitnehmer in einem Risikogebiet waren bzw. vor Urlaubsantritt, ob sie in einem Risikogebiet ihren Urlaub verbringen werden. Diskutiert wird in diesen Zeiten sogar, ob der Arbeitnehmer von sich aus verpflichtet ist, den Arbeitgeber über eine Reise in ein Risikogebiet zu informieren. Der Arbeitgeber hat aber kein Recht, dem Arbeitnehmer die Reise in ein Risikogebiet zu untersagen, er sollte den Arbeitnehmer aber gleichwohl auf die entsprechenden Konsequenzen bei einer Reise in ein Risikogebiet hinweisen (vgl. zu den Konsequenzen sogleich). Ebenso sollte der Arbeitgeber die Arbeitnehmer darauf hinweisen, dass eine Rückkehr an den Arbeitsplatz bei Reiserückkehrern aus einem Risikogebiet ohne negatives Testergebnis nicht möglich ist.
Wird das Risikogebiet erst während der Anwesenheit des Arbeitnehmers vor Ort zum Risikogebiet erklärt, besteht ebenfalls ein Informationsanspruch des Arbeitgebers, wenn nicht sogar auch eine Informationspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber.
b) bei Arbeitsunfähigkeit
Die soeben genannten Grundsätze können in den Fällen der Pandemie auch auf die Arbeitsunfähigkeit der Mitarbeiter übertragen werden und erst Recht auf den Fall, dass der bei Urlaubsrückkehr durchgeführte Corona-Test positiv war: Grundsätzlich besteht auch in diesem Punkt keinerlei Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber mitzuteilen, an welcher Krankheit er konkret leidet. Im Ausnahmefall einer Pandemie wird man an diesem Grundsatz allerdings nicht ausnahmslos festhalten können, da ein Infektionsrisiko für andere Arbeitnehmer besteht und demnach wiederum ein Informationsinteresse von Seiten des Arbeitgebers und den übrigen Arbeitnehmern. Der Arbeitgeber kann die Belegschaft nur schützen, wenn er von einer Corona-Erkrankung Kenntnis hat. Insofern ist in der arbeitsrechtlichen Judikatur anerkannt, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner in den § 15 Abs. 1, § 16 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz konkretisierenden Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) verpflichtet ist, eine diagnostizierte Corona-Erkrankung dem Arbeitgeber anzuzeigen. Der Arbeitgeber benötigt diese Information, um geeignete Schutzvorkehrungen im Betrieb treffen zu können, darf die Identität des Arbeitnehmers aber nicht ohne weiteres preisgeben.
Für Urlaubsrückkehrer ist demnach keine Verweigerung der Auskunft möglich, ob sie sich in einem Risikogebiet aufgehalten haben, auch wenn der Arbeitnehmer keinen konkreten Ort mitteilen muss. Gleiches gilt bei einer entsprechenden Corona-Erkrankung. Der Arbeitnehmer kann auch nicht einwenden, dass datenschutzrechtliche Belange dem entgegenstehen, da die damit verbundene Erhebung und Verarbeitung personenbezogener (Gesundheits-) Daten nach dem Bundesdatenschutz gerechtfertigt ist.
2) Anspruch auf Entgeltfortzahlung
a) während 14-tägiger häuslicher Isolation („Quarantäne“) bzw. Abwarten auf das Testergebnis
Ist der Urlaub während der 14-tägigen Quarantäne bzw. der Zeit, in der auf das Testergebnis gewartet wird (in der Regel 24 – 48 Stunden) beendet, besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung. Der Arbeitnehmer ist nach Beendigung seines Urlaubs grundsätzlich zur Wiederaufnahme der Arbeit verpflichtet. Aufgrund seiner behördlichen Verpflichtung, in häuslicher Isolation zu bleiben, ist der Arbeitnehmer aber gehindert, die Arbeit im Betrieb wieder aufzunehmen, so dass der übliche Grundsatz gilt „Ohne Arbeit kein Lohn“. Etwaige Regelungen, die dem Arbeitnehmer den Anspruch auf Entgeltzahlung aufrechterhalten, wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle oder während des Urlaubs, greifen in diesem Fall ohne besondere Vereinbarung mit dem Arbeitgeber nicht.
Unter Umständen käme – sofern die Regelung nicht arbeitsvertraglich ausgeschlossen ist – allenfalls eine Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruches für eine gewisse Zeit über § 616 BGB oder eine Entschädigung nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Betracht. Dies jedoch nur dann, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung nicht schuldhaft verursacht hat. Ist vor Reiseantritt bereits bekannt, dass das Reiseziel vom RKI als Risikogebiet eingestuft wurde und reist der Arbeitnehmer dennoch dorthin, besteht kein Vergütungsanspruch nach § 616 BGB. Auch § 56 IfSG stellt darauf ab, ob der Arbeitnehmer die Situation der häuslichen Isolation bewusst verursacht hat bzw. selbst hätte vermeiden können, so dass auch dieser ausscheidet, wie das Ministerium für Soziales- und Integration Baden-Württemberg in ihren FAQ’s festhält. Ein Entgeltanspruch besteht aber selbstverständlich in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer seine Arbeit aus dem Home Office erbringen kann.
b) bei Erkrankung nach Einreise in ein Risikogebiet
Eine weitere derzeit nicht abschließend geklärte Frage ist, ob der Arbeitnehmer bei einer Corona-Erkrankung nach Rückkehr aus einem Risikogebiet Entgeltfortzahlung verlangen darf. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs.1 Entgeltfortzahlungsgesetz hat nur der Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Bei einer Reise in ein vom RKI bereits ausgewiesenes Risikogebiet und anschließender Erkrankung an Corona wird insofern mit guten Argumenten vertreten, dass die Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitnehmer verschuldet ist, weil er sich die Infektion leichtfertig in einem Gefahrengebiet zugezogen hat. Etwas anderes dürfte hingegen gelten, wenn der Arbeitnehmer belegen kann, dass er in wenig betroffenen Regionen war und strenge Hygienevorschriften (Abstandsregelungen, Mund-/Nasenschutz etc.) eingehalten hat. Wird das Gebiet erst während des Urlaubs oder gar nach Rückkehr zum Risikogebiet erklärt, wird den Arbeitnehmer hingegen kein Verschulden treffen und er hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach den gesetzlichen Regelungen.
c) bei Reisebeschränkungen
Denkbar sind auch Fälle, in denen Arbeitnehmer aufgrund Reisebeschränkungen im Ausland festsitzen und nicht rechtzeitig wieder ihre Tätigkeit nach ihrem Urlaub aufnehmen können. In derartigen Situationen entfällt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung ebenfalls. Auf ein Verschulden kommt es insoweit nicht an, weil der Arbeitnehmer grundsätzlich das „Wegerisiko“ trägt.
3) Gesundheitskontrollen und eigene Tests
Seit der Testpflicht von Urlaubsrückkehrern aus Risikogebieten dürfte die zuvor viel diskutierte Frage, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, den Gesundheitszustand der Arbeitnehmer selbst bzw. durch einen Arzt überprüfen zu lassen, etwas an Bedeutung verloren haben. Einige Unternehmen haben die Zugangskontrollkarten bei Urlaubsrückkehrern gesperrt und schalten diese erst wieder frei, wenn die Arbeitnehmer durch ärztliches Attest nachweisen, dass keine Corona-Infektion besteht. Auch von Fiebermessungen am Werkstor wurde in der Presse berichtet. Ob diese Vorgehensweise ohne Differenzierung arbeitsrechtlich zulässig ist, ist fraglich. Durch die Testpflicht zumindest bei Rückkehrern aus Risikogebieten hat der Arbeitgeber aber derzeit die Möglichkeit, sich diese Testergebnisse vorlegen zu lassen und trägt damit auch seiner Fürsorgepflicht gegenüber den übrigen Mitarbeitern Rechnung.
Für Reiserückkehrer aus Nicht-Risikogebieten besteht diese Testpflicht allerdings nicht. Es gibt lediglich die Möglichkeit, innerhalb von 72 Stunden nach Einreise in Deutschland kostenlose Tests durchführen zu lassen. Diese Tests sind aber grundsätzlich freiwillig, so dass daraus keine Verpflichtung erwächst. In diesen Fällen wird der Arbeitgeber nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls ggf. aber ebenfalls Tests bzw. ein Nachweis verlangen dürfen, zumindest dann, wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass ein Arbeitnehmer infiziert ist oder mit einer infizierten Person Kontakt hatte und keine Möglichkeit zum Arbeiten im Home-Office besteht.
4) Beteiligung des Betriebsrats
Besteht in den Betrieben ein Betriebsrat, ist dieser beim Aufstellen von entsprechenden Reise-Rückkehr-Regelungen durch den Arbeitgeber zu beteiligen. Der Mitbestimmungspflicht unterliegen nicht nur die zu ergreifenden Arbeitsschutz- und Gesundheitsschutzmaßnahmen nach § 87 Abs.1 Nr.7 BetrVG, sondern auch die Gefährdungsbeurteilung. Je nach betrieblichen Besonderheiten besteht für den Arbeitgeber aber auch die Möglichkeit, kurzfristig ohne Beteiligung des Betriebsrats gewisse Maßnahmen umzusetzen. Gleichwohl empfiehlt sich die frühzeitige aktive Einbeziehung des Betriebsrats bei der Gestaltung entsprechender Schutzkonzepte des Betriebs.
Diese Informationen dienen als erster Überblick zum aktuellen Stand und ersetzen nicht eine Beratung im Einzelfall. Besonders aufgrund der vielschichtigen Fragen und der noch nicht vorhandenen gefestigten Rechtsprechung im Zusammenhang mit einer Pandemie ist eine Abwägung im Einzelfall besonders geboten. Für Fragen oder weitergehende Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
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